Bleibt München die sicherste deutsche Großstadt? PresseClub-Gespräch mit Münchens Polizeipräsidenten Hubertus Andrä.

Bleibt München die sicherste deutsche Großstadt? PresseClub-Gespräch mit Münchens Polizeipräsidenten Hubertus Andrä. Foto: J. Schwepfinger.

Bei seinem letzten Besuch im Münchner PresseClub hat Polizeipräsident Hubertus Andrä angekündigt, er komme das nächste Mal „blau“. Und der Polizeipräsident kam blau, nämlich in der neuen, schmucken Uniform. Damit ist gleich das erste Thema des Gespräches unter der Leitung von PresseClub-Vorstand Peter Schmalz gefunden: Wie man sich denn so fühle in der neuen, blauen? – „Saugut“, es sei eine deutliche Veränderung, sagt Andrä und schwärmte von Tragekomfort, Schnitt und Material. Das Einbinden der Kollegen, die die Uniformentwürfe tragen durften, hätte gute Erkenntnisse gebracht. Schließlich, so Andrä, „sind wir ein Stück an Österreich herangerückt“. Die Designerin der deutschen Uniformen hat auch schon die des Nachbarstaates entworfen. Der Uniformtausch werde in diesem Jahr abgeschlossen, das Oktoberfest 2017 wurde bereits komplett in Blau begleitet. „Alles freiwillige Kollegen.“ Dazu gebe es in diesem Jahr noch neue Dienstwaffen und ein Elektroimpulsgerät.

Das zurückliegende Jahr sei relativ ruhig verlaufen, so kann der Polizeipräsident auf ein paar Punkte eingehen, die oft zu kurz kommen. Die Einsatzbelastung sei durch die allgemeine Terrorlage unverändert hoch geblieben, auch hätten die weltweiten politischen Konflikte Auswirkungen auf die Arbeit der Münchner Polizei, dazu zähle auch der Schutz von Generalkonsulaten. Daneben musste der Bundestagswahlkampf personalintensiv begleitet werden. Insgesamt mussten 580.000 Überstunden geleistet werden, etwa 100 pro Polizist. Das liege nur geringfügig unter dem, was beim G7-Gipfel anfiel. Und dennoch, so kann Andrä, habe die hohe Einsatzbelastung keinen Einfluss auf die Motivation der Kollegen. Wie schon nach dem OEZ-Amoklauf, drängten auch nach der Messerstecherattacke die Polizisten förmlich nach dem Einsatz. Der Polizeichef berichtet von einem Kollegen, der vor der Pensionierung stand und nicht alarmiert wurde, der aber dennoch samstags zum Einsatz kam und montags, wie geplant, von Andrä in den Ruhestand verabschiedet wurde.

Doch er kann wenig Hoffnung darauf machen, die Überstunden durch Freizeit abzubauen, aber es gäbe mehr Geld als Überstundenausgleich. Zudem würden seit 2017 jedes Jahr 500 zusätzliche Polizisten eingestellt. Belastend sei auch die Wohnsituation in München: „Junge Kollegen haben es schwer, in München Fuß zu fassen und eine Familie zu gründen.“ Da wären mehr Wohnungen Staatsbedienstete hilfreich.

Der Polizeipräsident erwähnt auch, dass in jedem Streifenfahrzeug eine neue Schutzausstattung vorhanden ist. Modular aufbaubar kann sie sogar einen Kalaschnikow-Angriff aushalten. Sehr gute Ergebnisse brachte der Test der BodyCam: „Sie wirkt deeskalierend und wird von den Kollegen gerne getragen.“ Es sei denn, ein erheblicher Rausch verneble alle Sinne. Inzwischen würden Gerichte auch Polizeivideos gerne vor Gericht verwenden, wodurch oft auf Zeugenaussagen verzichtet werden könne. Allerdings nehme die Gewalt gegen Polizisten nehme: 2017 seien bei etwa 1.400 Angriffe 2800 Polizisten betroffen gewesen. Auch mischten sich bei Einsätzen immer mehr unbeteiligte Menschen zu Teil aggressiv ein. Andrä vermisst zunehmend Respekt nicht nur gegenüber Polizisten, sondern auch gegenüber Eltern, Lehrern und Feuerwehrleuten.

Sehr belastend sei der Vorfall in Unterföhring gewesen, bei dem ein Angreifer eine junge Polizistin so schwer verletzte, dass sie noch heute intensiv behandelt werden müsse. Andrä: „Was mich sehr beeindruckt hat, war die Hilfsbereitschaft und die Anteilnahme der Bevölkerung, bis hin zu dem 14-jährigen, der auf sein Weihnachtsgeschenk verzichtet hat und das Geld spendete. Wir haben auch immer noch einen engen Kontakt zur Familie, Kollegen waren auch in der Reha. Es war der extremste Fall von Gewalt gegen die Polizei.“

Die zu erwartenden Einsätze 2018 skizziert Andrä kurz: Die Sicherheitskonferenz, verschiedene Stadtveranstaltungen, das Public Viewing zur Weltmeisterschaft („wenn Deutschland im Finale spielt, trotz hoher Belastung, wäre das schon cool“), der Landtagswahlkampf, wer weiß, vielleicht auch nochmal ein Bundestagswahlkampf. Entwarnung kann der Polizeipräsident beim Enkeltrickbetrug geben: „Gibt’s in München praktisch nicht mehr. Wir haben ein gemeinsames Team mit Polen gebildet und die Hintermänner festgenommen. Seither ist Ruhe in München.“ Problematischer ist es mit dem Anrufen vermeintlicher Polizisten: Diese kommen meist von Callcenter in der Türkei, da sei aufgrund der politischen Lage eine Zusammenarbeit kaum möglich. Um falsche Polizisten zu entlarven, solle man sich immer den Dienstausweis zeigen lassen, gegebenenfalls auch nach der Dienststelle fragen und sich auch nicht scheuen, bei weiteren Zweifeln die 110 anzurufen.

Die Zahl der Wohnungseinbrüche sei weiterhin hoch, wenngleich rückläufig, Cybercrime sei ein großer Schwerpunkt. „I woass ned, warum man an Kühlschrank braucht, der im Internet steht.“, wundert sich Hubertus Andrä. So geht die Münchner Polizei mit gut gefüllten Auftragsbüchern ins neue Jahr, und der Präsident verspricht: „Wir werden alles daran setzen, für die Sicherheit der Bürger in Stadt und Landkreis zu sorgen.“

Zuversichtlich ist Polizeipräsident Hubertus Andrä, dass das „sehr, sehr sichere“ München weiterhin eine der sichersten Millionenstädte in Europa bleiben wird.

Text: Heinrich Rudolf Bruns

Fotos: Johann Schwepfinger

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