Der NSA-Abhörskandal – Sind wir den Spionen im Netz hilflos ausgeliefert?

SZ-Redakteur Detlev Esslinger, Ex-BND-Präsident Dr. Hansjörg Geiger, PresseClub Vize Peter Schmalz und IT-Sicherheitsexperte Arne Schönbohm am 5. Mai im PresseClub. Foto: Hans Schwepfinger

Wirtschaftsspionage auch durch befreundete Länder, Cyberangriffe aus dem Nichts: Die großen Lauscher sind weltweit im Netz. Der US-Geheimdienst NSA hörte das Handy der Kanzlerin ab, die Briten spionieren eifrig mit und auch China und Russland sind aktiv. Sind wir den digitalen Spionen hilflos ausgeliefert?

Darüber diskutierte PresseClub-Vorstand Peter Schmalz am 5. Mai 2014 im PresseclubForum mit drei Experten: Dr. Hansjörg Geiger war Staatssekretär, Präsident des BND und des Bundesamts für Verfassungsschutz. Der Berliner IT-Sicherheitsexperte Arne Schönbohm, Vorstand der BSS BuCET Shared Services AG und Präsident des Cyber-Sicherheitsrates Deutschland e.V., ist Referent bei großen Konferenzen zur Cyber-Sicherheit. Auch der SZ-Redakteur Detlef Esslinger beschäftigt sich in Kommentaren und Analysen mit dem Thema.

Selbst Monate nach den ersten Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden scheinen weite Teile der deutschen Wirtschaft und Verwaltung das zu sein, was der Spiegel im Jahr 1962 in seiner berühmten Titel-Story als "bedingt abwehrbereit" bezeichnet hat. Darin war sich das Podium schnell einig. So berichtete Arne Schönbohm von einer Stadtverwaltung, die immer noch 1.700 Rechner unter dem veralteten - und wegen des jetzt eingestellten Supports als besonders unsicher geltenden - Betriebssystem XP laufen lässt. Selbst der Kostenfaktor zählt hier nicht, obwohl sicherere Alternativen quasi umsonst verfügbar wären.

Dass nicht nur die oft gescholtene öffentliche Verwaltung in weiten Teilen nachlässig und fahrlässig agiert, davon konnte Hansjörg Geiger berichten. In seiner Zeit beim Verfassungsschutz, dessen Aufgabe auch die Abwehr von Wirtschaftsspionage ist, hätten Vertreter diverser Firmen den Informationen über Sicherheit im Bereich Telekommunikation und kritische Infrastrukturen eher als Pflichtveranstaltung abgetan. Wie bei der Vorlesung: Sitzschein machen, Thema abgehakt.

Damit schälten sich schnell zwei Punkte heraus, warum das Abhören, Sammeln und Manipulieren von Daten hierzulande offensichtlich recht einfach ist: Geld und Geduld. An beidem scheint es immer noch zu mangeln. Denn der Einsatz von End to End-Verschlüsselungstechnik etwa für Smartphones von Entscheidern und Politikern kostet neben einigen Euros auch Nerven. Die einfache Bedienbarkeit herkömmlicher Geräte ist nur eingeschränkt zu haben. Da greift mancher dann doch zur simplen Mail oder dem schicken iPhone mit seinen praktischen Apps. Zudem werden oft vermeintlich kostenlose Services genutzt - die in Wirklichkeit auch in einer Währung bezahlt werden: Daten.

Ein weiterer Aspekt sorgt dafür, dass selbst große Teile der politischen und wirtschaftlichen Eliten beim Umgang mit Technik eine gefährliche Naivität an den Tag legen: Vergesslichkeit. Denn - auch dies wurde in der Diskussion mehrfach erwähnt - seit Jahren war bekannt, dass es sehr umfassende technische Überwachungsprogramme der NSA auch gegenüber befreundeten Nationen gibt, Stichwort Echelon. Journalist Detlef Esslinger erinnerte daran, dass viele Redaktionen den oftmals technisch schwer verständlichen Themen nur dann eine Chance auf einen prominenten Platz im eigenen Medium einräumen, wenn ein Thema gerade aktuell ist.

Die Folgen des NSA-Skandals nehmen im Nachrichtenstrom vieler Medien bald wohl einen weniger breiten Raum ein. Insofern ist der sichere und bewusste Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln wohl künftig wieder eher ein Fachthema für technische Experten oder Juristen.

Es sei denn, man entwickele Konzepte, wie man Cybersicherheit auch da vermittele, wo jede Karriere ihren Anfang nimmt. in den Schulen. Diesen Vorschlag machte Arne Schönbohm.

Denn argloser Umgang mit Firmen-Daten oder Forschungsergebnissen kann später dazu führen, dass Patente geklaut werden, noch bevor sie eingereicht werden können. Verhängnisvoll für eine Volkswirtschaft, die sich als Wissensgesellschaft versteht.

Es geht manchmal auch ohne großen Aufwand: Das sicherste Kommunikationsmittel für sensible Daten ist der Brief. Davon ist Hansjörg Geiger überzeugt - er muss es als Ex-Geheimdienstchef und Geheimnisträger wissen.

Text: Thomas Kletschke, Foto: Hans Schwepfinger

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