„Die Botschaft Christi ernst nehmen“

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm im PresseClub

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm im PresseClub. Foto: Johann Schwepfinger.

„Für mich ist die Stimmung, mit der ich in dieses Jahr gehe, nicht nur geprägt vom Rückblick“, beginnt Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm seinen traditionellen Besuch im PresseClub und startet gleich mit einer Exegese über die Jahreslosung: „Gott spricht, ich will den Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ (Offb 21,6) Das sei genau das, was wir brauchen: „Sie ist für uns in Deutschland wichtig, wo viele Menschen Angst vor Knappheitsgedanken haben.“ Bedford-Strohm, der auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, wünsche sich mehr Wahrnehmung dafür, wie viel geschenkt ist in diesem Land, auch materiell. Ein Stichwort für PresseClub-Chef Peter Schmalz, den Landesbischof um eine Einschätzung der politischen Lage zu bitten. Die Kirchen müssten immer wieder das Wort führen und Einspruch erheben, auch für die in Deutschland tatsächlich Benachteiligten.

Schon Kardinal Reinhard Marx, er ebenfalls der höchste Repräsentant seiner Kirche in Deutschland, hat bei seinem Besuch im PresseClub kurz vor Weihnachten über die Freundschaft mit dem evangelischen Landesbischof gesprochen, die sich im vergangenen Reformationsjahr vertieft hat. Und auch über manche spöttische Journalisten-Bemerkung über die religiösen „Zwillinge“. „Wenn Kardinal Marx darüber gesprochen hat, dann hat er das gleiche gesagt, das wage ich zu sagen, ohne dass ich dabei war,“ sagt Bedford-Strohm und bezeugt damit das Vertrauen in diese früher kaum vorstellbare Verbundenheit.

Er schaue mit Zuversicht in die Zukunft. Der teilweise große Ansturm auf Tickets zum Lutherjahr und die oft vollen Gottesdienste seien zwar nicht die sonntägliche Realität, aber 2017 „wurde ein Doppelpunkt gesetzt, kein Punkt“. Nun sei es wichtig, den Sonntag als den Tag der Christen wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Auch die Digitalisierung könne bei der Verkündigung nützlich eingesetzt werden, die Kirche tue das auch für die Gesellschaft. Angebote gebe es viele, zum Beispiel auch ein Portal mit Trausprüchen. Da könne der Pfarrer auch sehen, ob sich ein Paar schon mit der Bibel auseinandergesetzt habe. Mehr noch: Viele Gläubige berichten vom positiven Impuls dieser Netzangebote, aber auch von der Hilfe zur Konfirmation und auch bei Trauer. Der Landesbischof selbst ist digital sehr aktiv, er sieht in seinen regelmäßigen Facebook-Talks ein medienpädagogisches Engagement: Auch manche Konferenz, mancher Gesprächsaustausch mit Pfarrern und Kirchenvorständen vor Ort fänden schon auf digitalem Weg statt. Doch ob analog oder digital, wichtig sei das Amtsverständnis: „Wir verstehen uns alle in unseren Ämtern als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Weinberge des Herrn.“ Allerdings sei das Internet manchmal schon arg lahm. Wolle er von unterwegs nach einem seine Vortrag oder Gottesdienste einen Facebook-Eintrag posten, dauere es sehr lange, bis die Bilder hochladen.

Bei der selbstgestellten Frage, „was wir besser hinkriegen müssen“, übt der Landesbischof auch Selbstkritik: „Bei öffentlichen Stellungnahmen der Kirche geht es nicht um irgendwelche Polit-Kommentare, nicht, dass sich die Privatmeinung von Pfarrern oder Bischöfen ein Privatforum sucht, sondern, dass es darum geht, die Konsequenzen unseres christlichen Glaubens für das Leben öffentlich zu reflektieren. Es ist keine Polit- und schon gar keine Parteipolitik-Botschaft. Es geht darum, das Doppelgebot der Liebe ernst zu nehmen: Gott und den Nächsten.“ Wer die Nächstenliebe wirklich ernst nehmen wolle, der könne sich nicht davor drücken, dass solche Randgruppen eine Chance kriegen: „Flüchtlinge, Arme, die, die für Jesus zentral sind.“

Und so kommt Bischof Bedford-Strohm zum Klimawandel und zum Kohleausstieg. Es darf seiner Meinung nach keine Abstriche an dem grundsätzlichen Fahrplan der CO2-Reduktion geben. Die Kirche müsse die Stimme erheben, damit das Unrecht, das schon jetzt erfahren wird, in Grenzen gehalten wird. Die Christen in Deutschland hätten Verantwortung für die Menschen, die bei uns seien, wie auch die Menschen in Armut anderswo. Jeder Mensch habe das gleiche Recht zu leben. Eine kategorische Obergrenze lehnt Bedford-Strohm ab. Die sondierte Obergrenze von 180.000 bis220.000 Menschen entspreche dem, was derzeit aufgenommen werde. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland ermahnt dazu, Flüchtlinge, die ins Land kommen, doch auch arbeiten zu lassen. Es sei besser, diese Menschen zum gesellschaftlichen Leben beitragen zu lassen, als dass sie in ihren Unterkünften säßen, nichts täten und auf dumme Gedanken kämen.

Ein wenig Theologie darf nicht fehlen, und Landesbischof Bedford-Strohm ist direkt dankbar, dass er von Journalisten dazu befragt wird. Wie positioniere sich die evangelische Kirche zu der von Papst Franziskus vorgeschlagene Änderung der Vaterunser-Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“? Bedford-Strohm habe sich sofort an die Bibel-Arbeitsgruppe gewendet, die die Neuübersetzung betreibt. „Einen biblischen Text kann man nicht einfach umschreiben, man kann ihn interpretieren.“ Im Grunde genommen sei nur eine Passage aufgenommen worden, die so im Erwachsenen-Katechismus steht. Er habe aber nichts dagegen, dass das Vaterunser diskutiert wird. Die EKD sei aber zu dem Schluss gekommen, den Text nicht zu ändern. Gleichwohl sei aber jede Übersetzung Interpretation.

Ein Abschlusspunkt, der aber, wie bei Bedford-Strohm oft, in die Zukunft wies, ist das Gedenken in diesem Jahr an den vor 100 Jahren zu Ende gegangenen Ersten Weltkrieg: „Wir wollen als Kirchen klar machen, dass wir gelernt haben, dass Nationen nicht gegeneinander kämpfen sollen, sondern zusammenarbeiten.“

Text: Heinrich Rudolf Bruns

Fotos: Johann Schwepfinger

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