Notker Wolf zu Gast bei der PresseClub Adventsfeier 2017: „Mich interessieren die Menschen“
Wie man ihn denn korrekt anrede, wollte im Vorgespräch ein Teilnehmer der Adventsfeier im PresseClub München wissen. „Abtprimas emeritus, das heißt ohne Meriten“, entgegnete Notker Wolf OSB mit einem schalkhaften Lächeln. Der ehemalige Abtprimas der Benediktiner war unser Gast zur traditionellen Feier, und nach dem Ausweichquartier mit lauter Musik und Kabarett von Nepo Fitz war es die erste Adventsfeier im neu eröffneten Stammquartier am Marienplatz. Allein diese beiden letzten Feiern zeigen die Bandbreite unseres Clubs.
Über Mönche, speziell Benediktiner, haben wir alle wohl ein besonderes Bild. Das „ora et labora“, das Beten und Arbeiten, verleitet dazu, Mönche im Betkammerl und bestenfalls im Klostergarten beim Bohnenernten zu sehen.
Notker Wolf, der zwölf Jahre der höchste Chef des weltweiten Ordens war, ist weitgereist und auch nach seiner Emeritierung ein Weltreisender in Sachen Menschlichkeit und Verkündigung. Erst vor wenigen Monaten hat er Klöster besucht. Die mehrwöchige Reise rund um den Globus war ihm zum Abschied von seinen Ordensbrüdern geschenkt worden:
(Notker Wolf erzählt, dass er bald jede zweite Nacht in einem anderen Bett lag, viele Klöster sah und noch einen Tag vorher in Rom war, wo ihn ein Mitbruder herzlich umarmte. Die Bemerkung, dass dieser eine riesige Knoblauchfahne gehabt habe, die selbst ihm als Knoblauchliebhaber fast zu viel war, führte im Club zu Heiterkeit.)
Notker Wolf ist getrieben davon, gemeinsam mit seinen Brüdern und Schwestern das Leben der Menschen in den ärmeren Gebieten dieser Welt zu verbessern. Ihn interessieren die Menschen, der christliche Glaube ist immer dabei, steht aber nicht unbedingt immer an erster Stelle, gab der Benediktiner offen zu. Aber: Der christliche Glaube blühe auf; je größer der Druck, desto lebendiger der Glaube. Seine Erfahrung aus China und sogar Nordkorea:
(Notker Wolf über den Besuch von Neukongregationen, das neue Ansehen Deutschlands und Angela Merkels in der Welt, Donald Trump und das Ansteigen des Meeresspiegels durch den Klimawandel.)
Von Moderator und PresseClub-Chef Peter Schmalz auf Nordkorea angesprochen, wo der frühere Erzabt von St. Ottilien ein Krankenhaus errichtet hat, von dessen Bau ihm viele abgeraten hatten, meint er, man müsse etwas probieren, sonst komme man nicht weiter. Kompliziert sei es allerdings, von Südkorea nach Nordkorea zu kommen, er müsse den Umweg über China nehmen. Überhaupt sei das Reisen in der heutigen Welt trotz Reisepasses manchmal mühsam. Selbst er als Ordensmann könne nicht überall problemlos die Staaten wechseln:
(Notker Wolf erzählt über das alte und neue Deutschlandbild sowie die Reiseschwierigkeiten mit deutschem Pass. Unter anderem, dass er mit iranischem Stempel nicht so einfach in die USA kommt.)
Notker Wolf will aber überall die karitative Seite der Kirche geltend machen. Gerade in Diktaturen wie in Nordkorea, wo die Bevölkerung besonders darbe. Er hat sich mit den jeweiligen Begebenheiten abgefunden, damit sei er weiter gekommen als gedacht. Die Embargos machten erfinderisch, manchmal gelinge es, über andere Länder medizinische Hilfslieferungen in ein anderes Land zu leiten.
Wie das denn so sei mit der Missionierung und den konkurrierenden Glaubensgemeinschaften, wollte einer der Gäste wissen. Die Antwort war knapp und deutlich: Bibeln ins Land zu bringen, kann als Gesetzesverstoß gewertet werden.
(Der ehemalige Abtprimas erzählt über Abhöraktionen, das Mitbringen von Bibeln in Diktaturen und Fähigkeiten des iPhones.)
Auf die Ökumene in Deutschland angesprochen, gab sich Notker Wolf ganz pragmatisch: „Ich meine, wir sollten zusammenarbeiten und ned nach hinten schauen.“ Das gelte auch für Hilfswerke wie adveniat und Brot für die Welt. Sein Credo: Schluss mit der Angst, die Welt sei nun mal keine heile Welt, statt uns gegen alles abzusichern, müssten wir mehr Mut zum Risiko haben. Auch mit dem Islam:
Abtprimas em. Notker Wolf wies auf den heute oft vergessenen Unterschied zwischen Müßiggang und Muße hin und erinnerte an die benediktinische Regel, selbst den Kranken etwas zu arbeiten zu geben, um sie vor Müßiggang zu bewahren. Aber Muße hätten alle nötig. Und da dürfe man auch mal in ein scheinbares Nichtstun verfallen.
Es seien viel Ängste in der Bevölkerung. Das habe die letzte Bundestagswahl gezeigt. Zum Anspruch der AfD, das christliche Abendland retten zu wollen, meinte er nur: „Sollen sie. Aber ich habe im Parteiprogramm keinen Passus gefunden, was das christliche Abendland ist.“ Das Evangelium habe uns die frohe Botschaft verheißen, aber kein Schlaraffenland. Er rief das Bild von den Jüngern im Boot auf dem See ins Gedächtnis. Der schlafende Jesus sei bei uns, auch wenn wir meinten, dass er schlafe. Gott habe ihn auch in der Passion nicht verlassen. Dies sei der letzte Grund unserer Hoffnung, der Herr sei selbst durch verschlossene Türen gekommen.
Munter wurde der Widerspruch aus dem Zuhörerkreis zu Amoris Laetitia. Notker Wolf ist auf Papstlinie und sehr pragmatisch:
(Notker Wolf über Amoris Laetitia und die pragmatische Umsetzung.)
Damit ging die adventliche Stunde im PresseClub in den gemütlichen Teil über. Bei Leberkäs, Fleisch- und Gemüsepflanzerl neben Kartoffelsalat (wie immer von Karl-Heinz Wildmoser gestiftet) konnten die Gespräche vertieft werden und beim ein oder anderen Glas Wein der Frieden gefunden werden. Hochachtung zollen muss man PresseClub München-Geschäftsführerin Angelica Fuss und der freiwilligen Helferschar, die den nüchternen Raum behaglich gestalteten, sich um Plätzchen- und Getränkenachschub sorgten und im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf sorgten. Auch – oder gerade in der vorweihnachtlichen Betriebsamkeit wurde einmal mehr deutlich, dass der PresseClub München nicht nur Anlaufstelle für Informationen aus erster Hand ist, sondern auch über dem Marienplatz gelegen, Zeit zum Arbeiten mit Muße bietet.