Pressekonferenz29.06.2007

Zwei Jahre Bayerisches Kinderbildungs- und - betreuungsgesetz (BayKiBiG)

„Massive Schwierigkeiten“ mit dem BayKiBiG – Verbände fordern Nachbesserungen

Harte Forderungen an die Politik, gemeinsames Lächeln für’s GruppenfotoHarte Forderungen an die Politik, gemeinsames Lächeln für’s Gruppenfoto: v.l.n.r. Sabine Engel (Münchner Familienbeirat), Norbert Rühle (Arbeitskreis Sonderpädagogik), Sigrid Hepting, (Forum Kindertagesstätten im BLLV) und Jutta Materna, (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft).
Foto: Himmelsbach

Referenten:

  • Jutta Materna, Sprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
  • Gertraud Moderegger-Rifesser, Vorsitzende des Elternvereins der Horte Bayerns e.V. (EVHB),
  • Norbert Rühle, Sprecher vom Arbeitskreis Sonderpädagogik (ein Zusammenschluss der Träger von Waldorf-Montessori und Wald-Kindertagesstätten)
  • Sigrid Hepting, Leiterin des Forums Kindertagesstätten im BLLV (Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband)
  • Sabine Engel, Vorsitzende des Münchner Familienbeirats, einer Unterorganisation des Deutschen Familienverbandes

Vor zwei Jahren ist das Bayerische Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz, kurz BayKiBiG, in Kraft getreten. Jetzt, nach Ablauf des ersten Jahres, in dem die Kindergärten das Gesetz in ihren Einrichtungen anwendeten, zogen Vertreter mehrerer Verbände im PresseClub ihre Bilanz – und die fiel verheerend aus: In der Theorie sei das Gesetz mit den neuen Buchungszeiten „nicht schlecht gedacht“, da waren sich alle mit Jutta Materna, der Sprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, einig. Doch in der Praxis habe sich gezeigt, dass es zu „massiven Schwierigkeiten an vielen Punkten“ führe, so Materna.

Das Gesetz gehe „an den Bedürfnissen der betroffenen Eltern und Kinder vorbei“, konkretisierte Materna. Sabine Engel vom Ortsverein München des Deutschen Familienverbands, nannte ein Beispiel: Gerade kleinere Einrichtungen litten unter dem BayKiBiG. Sie seien nun auf lange Buchungszeiten angewiesen, um den Personalschlüssel nicht drücken zu müssen. Wenn Eltern zu wenig Stunden für ihre Kinder buchen, bedeute dies für die Kindergärten zu wenig Zuschüsse und damit weniger Personal oder gar die Schließung. Die Eltern seien durch das BayKiBiG zwar „Kunden“ geworden, hätten allerdings „ihre Freiheit verloren“, so Engel.

Norbert Rühle, Sprecher vom Arbeitskreis Sonderpädagogik, kämpft vor allem mit dem Problem der „Gastkinder“-Regelung im BayKiBiG: Zur Zeit gebe es etwa 25.000 bis 30.000 so genannte Gastkinder in Bayern, die keinen Kindergarten in der Heimatgemeinde, sondern im Nachbarort besuchen. Das entspricht laut Rühle etwa zehn Prozent der Kinder in bayerischen Kindertagesstätten. Eltern und Träger vor allem von Waldorf-, Montessori- und Waldkindergärten müssten die Erlaubnis zum Besuch einer heimatortfremden Einrichtung momentan vor Gericht erkämpfen. Der Anspruch, einen Kiga in einer Nachbargemeinde zu besuchen, sei allerdings auch vor Gericht „so gut wie nicht durchsetzbar“, so Rühle. Sein Vorwurf: Das Gesetz sei in diesem Punkt „unscharf definiert“. Er forderte hier Nachbesserungen, um den Gastkinderstatus wieder zu ermöglichen.

Auch die zahlreichen Integrationskindergärten im Freistaat stünden vor einem großen Problem, so Rühle: Gerade das hoch qualifizierte Personal in diesen Einrichtungen sei mit kurzfristigen Verträgen schwer zu halten: Auch hier bestimmt die Anzahl der gebuchten Stunden den Personalschlüssel. Der vorgesehene „Faktor 4,5“ zur Finanzierung des Mehraufwandes dieser Kindertagesstätten reiche bei weitem nicht aus, gestand Rühle.

Es gehe nicht an, so Sigrid Hepting, Leiterin des Forums Kindertagesstätten im BLLV (Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband), dass Erzieherinnen einen Zweitjob abends an der Tankstelle annehmen müssten, weil das Gehalt aus dem eigentlichen Beruf nicht mehr zum Leben reiche. Wo das Kindergartenleben in Bayern noch funktioniere, sagte Hepting, setzten Erzieherinnen ihre Freizeit in hohem Maße ein – anders ließe sich ihrer Erfahrung nach der Mehraufwand für die Kiga-Arbeit gar nicht mehr erledigen.

Die einhellige Forderung: Bildung - und damit der Bereich „Kindertagesstätten“ – sollten vom Sozial- ins Kultusministerium verlegt werden, wo auch die Schulen angesiedelt seien. Damit liege die Bildungslaufbahn der Kinder wieder in einer Hand, so Engel. Norbert Rühle fasste zusammen: Die vielfältigen Probleme mit dem BayKiBiG seien „keine Anlaufschwierigkeiten“, sondern „Webfehler“ im Gesetz.

von Susanne Himmelsbach

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